Historisches Reetdachhaus gerettet
geschrieben von Husumer NachrichtenHistorisches Reetdachhaus gerettet
Die Stadt Husum wollte es abreißen, ehe sich Kurt Nissen als Käufer fand – das hat er daraus gemacht
Lisa Mewaldt (l.) und Hargen Johannsen lassen sich von Kurt Nissen das Haus Bracken 1 zeigen. Text und Bilder von Robert Meyer
Man muss schon genau hinschauen, als Kurt Nissen im Garten ein altes Foto seines Hauses aus den späten 80er-Jahren zeigt. Wäre da nicht das Reetdach, der Gedanke läge nahe, hier handelte es sich um zwei völlig verschiedene Gebäude. „1988 wurde jemand gesucht, der sich zutraut, das Haus zu sanieren“, erinnert sich Nissen. Er traute sich diese Aufgabe zu.
Auf dem Foto aus dem Jahr 1988 lässt sich erahnen, in welchen Zustand Kurt Nissen das Haus Bracken 1 übernahm.
Nissen ließ sich auf das Abenteuer ein, das Haus Bracken 1 im Husumer Ortsteil Rödemis zu erhalten, obwohl sogar die Stadt als damalige Eigentümerin bereits eine Vor-Entscheidung getroffen hatte: Nach Einschätzung des Stadtbauamtes ist die Bausubstanz derartig marode gewesen, dass das Gebäude komplett abgerissen werden sollte. Sogar der Bauausschuss hatte bereits entschieden. Einziger Ausweg war, einen Käufer zu finden.
„Als ich davon damals in der Zeitung las, hab ich direkt gehandelt“, erinnert sich Nissen. Wenn der frühere Baustoffhändler aus Simonsberg heute über die kleine, strohgedeckte Kate aus dem frühen 18. Jahrhundert spricht, gerät er ins Schwärmen.
Intensiv beschäftigte er sich mit der Geschichte des Gebäudes: Untergebracht waren hier schon eine Gaststätte, ein Schneider, ein Schuster und womöglich auch ein Glaser. Nissen vermutet letzteres, weil er bei Pflasterarbeiten vor dem Haus Scherben fand, die darauf hindeuten. Heute vermietet Nissen das Haus an Feriengäste. Was er einnimmt, stecke er in Sanierung und Erhalt. Wie viel er über die Jahrzehnte aufgewendet hat, will er nicht verraten.
Sieben Jahre bis zum neuen Reetdach
Sein letztes Großprojekt: Das Haus brauchte ein neues Reetdach. Früher war die gesamte Häuserzeile auf der Straße Bracken, was für Baracken steht, mit Stroh gedeckt, heute ist dies nur noch bei Nissen der Fall.
Am Ende brauchten die Dachdecker 14 Tage, vorausgegangen waren laut Nissen jedoch sieben Jahre der Planung und Suche nach einem geeigneten Fachunternehmen. „Der Bedarf an Reet ist groß und die Wartelisten für Aufträge sind lang“, bestätigt Hargen Johannsen von der Stiftung zur Erhaltung des Husumer Stadtbildes. Der Verein begleitete Nissen bei seinem Projekt von Anfang an, stand ihm beratend zur Seite und unterstützte ihn finanziell.
Und das, obwohl das Haus nicht einmal offiziell unter Denkmalschutz steht. Dafür habe zu viel am Gebäude im Argen gelegen, erklärt Johannsen. „Der Denkmalschutz besteht in diesem Fall in der Person von Kurt Nissen.“ An der Notwendigkeit des Erhalts haben aber weder die Stiftung noch der Eigentümer Zweifel. Das „Haus Waterkroog“, wie es ebenfalls genannt wird, sei einer der letzten erhaltenen Hinweise darauf, dass der Ortsteil Rödemis früher einmal ein Dorf gewesen ist.
Kurt Nissen zeigt ein Gemälde, wie die Straße Bracken früher einmal ausgesehen hat. Die Nachbarhäuser hatten hier allerdings schon keine Reetdächer mehr.
Grundstück von der Stadt zum symbolischen Preis
Obwohl kein Denkmalschutz besteht, achtete Nissen über die Jahre akribisch darauf, möglichst viel zu erhalten – und wenn das nicht möglich war, zumindest mit den vorhandenen Baumaterialien zu arbeiten. Original ist etwa der Sockel aus Feldstein. Neu hingegen ist die Hausfassade, wobei Nissen das Mauerwerk wieder nach historischem Vorbild anordnete.
Das musste er auch, schließlich wurde 1988 im Kaufvertrag mit der Stadt Husum festgeschrieben, dass der Besitzer „die Formen der traditionellen Gestaltungselemente verwenden“ muss, wie es 1988 in einem Zeitungsbericht über den Hauskauf hieß. Im Gegenzug bekam Nissen Haus und Grundstück für nur rund 1000 Mark.
Das ist jetzt mehr als 35 Jahre her. Johannsen und seine Stiftungs-Kollegin Lisa Mewaldt sind froh, dass sich Nissen auf das alles einließ. „Nur ein sehr kleiner Kreis von Personen interessiert sich dafür, historische Häuser auch ohne Denkmalschutz zu erhalten“, so Mewaldt.